Dieses Interview wurde uns in Kooperation mit Danza & Danza International zur Verfügung gestellt und von uns übersetzt. Das Interview wurde ursprünglich von Valentina Bonelli geführt und erstmalig in Ausgabe No. 01 / 2017 veröffentlicht
Für Christian Spuck war es bestimmt keine einfache Aufgabe in die Fussstapfen von Heinz Spoerli zu treten, der das Ballett Zürich für mehr als 15 Jahre als Ballettdirektor und Choreograph geleitet, und nach seinem Einfluss geformt hat. Seit 2012/13 ist Christian Spuck, der zuvor Erfahrung am Stuttgarter Ballett sammelte, nun neuer Direktor des Balletts Zürich. In unserem Interview reflektiert er über den Wechsel und die Veränderungen am Ballett Zürich.
Herr Spuck, was für ein Ensemble haben Sie bei ihrer Ankunft vorgefunden?
Vor allem hervorragende und sehr gut ausgebildete Tänzer. Daher habe ich auch Wert darauf gelegt, so viele Tänzer wie möglich zu behalten, was für einen neuen Direktor eher unüblich ist. Für mich war es aber der richtige Weg. Natürlich ist es schwieriger, und es dauert eine gewisse Zeit bis man ein letztendlich ein Ensemble mit Tänzern hat, die man wirklich zu schätzen weiss.
Welche Art von Tänzern bevorzugen Sie?
Tänzer die verantwortungsvoll, offen und aufnahmebereit sind. Natürlich müssen sie das Standard Repertoire kennen, so dass dieses nicht immer neu gelernt werden muss; sie müssen über Talent und Technik verfügen; und vor allem müssen sie sich voll und ganz auf die Rollen und Titel einlassen, an denen wir arbeiten. Einige Tänzer bevorzugen es, wenn der Ballettdirektor eine starke Führungsrolle ausübt und bestimmte Sachen fordert; so bin ich nicht. Am Anfang und während der Proben sprechen wir sehr viel miteinander, aber ich erwarte von den Tänzern eine eigenständige künstlerische Perspektive im Bezug auf unsere Arbeit. Zudem wird unser Repertoire immer umfangreicher und die Tänzer müssen mit einigen sehr unterschiedlichen Stilen zurecht kommen. Diesbezüglich konnten viele der Tänzer meinen Anforderungen auch gerecht werden, andere eher weniger.
Wie ist Ihre aktuelle Einschätzung des Ensembles?
Aktuell kann ich sagen, dass ich extrem zufrieden mit dem Ensemble bin. Egal ob in den Proben oder auf der Bühne, man spürt dass die Tänzer auf der Suche nach mehr sind. Ich hasse die Routine eines Stückes das zu oft aufgeführt wurde. Ich will spüren das auf der Bühne gerade etwas einzigartiges passiert. Das ist auch für das Publikum ein besonderes Erlebnis.
Wie setzt sich das aktuelle Repertoire zusammen?
Es gibt einige Stücke von mir und teils von Choreographen, die sehr wichtig für mich sind. Die Choreographen Kylián, Forsythe, Ek, Van Manen, die ich gerne vor Ort mit meinem Ensemble arbeiten lassen würde, und deren Stil in einer Aufführung sofort erkennbar ist. Ich bewundere auch die neue Generation sehr: Edward Clug, der Ballettdirektor des Maribor Ballett, ist einer meiner Favoriten. Nach seiner Version von Les Noces, ist aktuell sein Le Sacre auf unserem Spielplan. Oder der Deutsche Marco Goecke, ein weiterer Choreograph, den ich für seine unverwechselbare und abstrakte Sprache sehr schätze. Er hat für uns Transfigured Night kreiert und ist aktuell mit Petrushka beschäftigt.
Gibt es auch Platz für neue Entdeckungen?
Ja, zum Beispiel Filipe Portugal, einer unserer Tänzer, der schon erfolgreich Tänze für das Jugend Ensemble umgesetzt hat. Diese Saison hat er eine neue Choreographie ausgearbeitet und wurde auch schon ins Ausland eingeladen.
Romeo Und Julia — Sergej Prokofjew
Foto: Gregory Batardon
Ich sehe es als meine Pflicht aufstrebende Choreographen im Ensemble zu unterstützen. Das habe ich vor allem in Stuttgart mit “Noverre Society” gelernt.
Das bringt uns zum Jugendensemble, für das Sie auch als Ballettdirektor tätig sind: Wie funktioniert das genau?
Im Grunde ist es eine Vorstufe zu einer professionellen Karriere. Unser Jugendensemble besteht aus 14 frisch ausgebildeten Tänzern, die durch ein Vortanzen ausgewählt wurden. Wir bekommen hierzu Tausend Bewerbungen und laden davon aber nur 200 zum Vortanzen ein. Es gibt vor allem viele Bewerber aus Italien. Die Tänzer können dann zwei Jahre bei uns bleiben. Wenn es im Ballett Zürich eine offene Stelle gibt, wird ihnen die Möglichkeit gegeben dem Ensemble beizutreten (wie zwei es vor kurzem getan haben). Sie können aber auch zu anderen namhaften Ensembles gehen. Für das Jugend Ensemble gibt es einen eigenen Spielplan, sie sind aber zu Teilen auch in Stücken des Haupt Ensembles aktiv – vor allem in den Klassikern.
Was für ein Repertoire an Klassischen Stücken streben Sie an?
Leider ist das durch die Grösse des Ensembles beschränkt, 36 Tänzer und eine relativ kleine Bühne. Trotzdem gibt es einige Stücke die obligatorisch sind, wie Giselle und Ratmansky’s Swan Lake, als Co-Produktion mit La Scala, welches speziell für unser Ensemble und unsere Primaballerina Viktoria Kapitova entwickelt wurde. Dieses Projekt ist etwas sehr besonderes für uns, trotz der Tatsache dass es schwierig aufzuführen ist – wir mussten hier sogar zusätzliche Tänzer engagieren. Ich suche tatsächlich immer nach klassischen Stücken, aber leider können wir keine grossen Stücke wie La Bayadère umsetzten.
Stehen Sie in Zusammenarbeit mit einer speziellen Akademie?
Nein, aber wir arbeiten viel mit der hervorragenden “Tanz Akademie Zürich”, die von Oliver Matz geleitet wird. Natürlich ist es Schade, nicht selbst eine Schule zu haben, wie viele andere grosse Theater. Vor allem weil die Tänzer dann mit dem selben Stil ausgebildet werden, was für das klassische Repertoire sehr wichtig ist. Unsere Ballettmeister müssen vor allem viel am Stil arbeiten.
Wie sieht Ihr Publikum aus?
Unsere Aufführungen sind immer ausverkauft, was eine tolle Leistung ist. Unser Publikum hat sich im Laufe der letzten Jahre verändert und ist jetzt etwas breiter. Das liegt auch an unserer Preispolitik. Tickets in der Schweiz sind sehr teuer und wir bieten viele Vergünstigungen für junge Leute. Ich bin auch sehr zufrieden mit den vielen Bildungs Initiativen, die wir mit zusammen mit Schulen durchführen. Diese Projekte bringen Tänzer und Schüler in Kontakt, woraus sich oft ergibt, dass dieselben Schüler ihre Freunde und Familie mit ins Ballett bringen.
Ihr Repertoire besteht hauptsächlich aus erzählerischen Stücken, die sehr beliebt beim Publikum sind. An welchen Projekten arbeiten Sie im Moment?
Romeo und Julia war sehr erfolgreich und es wurde aufgrund der hohen Nachfrage über mehrere Spielzeiten verlängert. Der Sandmann und Anna Karenina hatten hervorragende Kritiken. Diese Stücke hatte ich schon für andere Ensembles ausgearbeitet und dann für das Ballett Zürich und einige gewisse Tänzer, wie ich es gerne mache, überarbeitet. Also ja, ich bin immer auf der Suche nach erzählerischen Ballettstücken. Ich bekomme auch viele Vorschläge zugeschickt, aber mein ultimativer Wunsch wäre es mein eigenes original Libretto zu schreiben.
Silverster Gala — Radio And Juliet
Foto: Gregory Batardon
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